werkgruppen

galerie adrian bleisch

 

Notizen zur Vernissage

von Humbert Entress

 

Nach 17 Jahren muss Atelier in SIA aufgelöst werden. Das ist viel Arbeit, aber auch Gelegenheit zu Rückschau, Zusammenfassung und Ausblick in dieser wunderbaren und wunderbar grossen Galerie von AB.

 

Wir sehen 10 Werkgruppen aus rund 20 Jahren künstlerischen Schaffens. Wir sehen den Konstruktivisten, den Zeichner, den radikalen Reduzierer, den Beobachter, Sezierer, den ruhelosen Zeichner der ruhelosen Spire. Mauersegler schlafen im Flug. Sie schrauben sich in grosse Höhe. Überblick und Detail. Fredis Bilder scheinen ähnliche Perspektive zu haben. Trotz grösster Nähe und fast beklemmender Intimität ist die Übersicht, der Blick für das Ganze und auf das Ganze erkennbar. Und sei es in den Weglassungen.

 

Ein Rückblick in diesen Sichtweisen: FB ist seit immer verheiratet mit Elfi und seit 91 Vater von Hannes, dem er 1991 eine Werkgruppe "bisch noi" widmete. Bishnoi ist eine kleine ethnische Gruppe in der Wüste Rajasthans, Nordindien, die sich dem Erhalt von Pflanzen und Tieren verschrieben hat. Welch schöne Verbindung zum schweizerdeutschen bisch noi, zum Willkommen eines neuen Erdenbürgers, eines Sohns.

 

FB lernte Innendekorateur und kam bald zum Theater als Bühnenbildner. Vorkurs ind der Kunstgewerbeschule. Zeichnen im Rausch, ohne zu wissen, wie man das macht. Seherfahrungen öffnen den Weg zu Zweierlei: dem Interesse, das Erfahrene, Erblickte mitzuteilen - und dem Beobachten Beobachten Beobachten. Beidem bleibt Fredi sein ganzes Leben lang treu.

 

Dann die verbildende Bildung: akademisches Zeichnen versus Kunst. Auflehnung, die Honig-Maschine von Beuys an der documenta als ein nicht als das Schlüsselerlebnis. Von Erlebnissen wimmelt jede erzählerische Begegnung mit Fredi und seinem Elefantengedächtnis. In diesen Erzählungen, Fredi ist in jeder Beziehung ein grosser Kommunikator, zeigen sich auch immer wieder Überblick und Detailversessenheit.

Naxosreise, 20-Meterband mit Zeichnungen.

Mensch + Raum beginnt auf sepiafarbenen Kärtchen, die der Vater als Ausschuss aus der Zeitungs-Druckerei mitbringt. M+R wirkt und fordert und freut bis heute in ganz verschiedenen Werkgruppen.

 

Trotz oder vielleicht gerade wegen der Hinwendung zur Kunst dann die beste Aufnahmeprüfung in die Werklehrerklasse. Das schmeichelt. Also Werklehrer, auch das bis heute. Es ist total schön, wenn und wie er sagt, dass er erst jetzt, mit 60 wirklich begriffen hat, wie wunderbar es ist, Schülern etwas von dem mitzugeben, was sein Leben so reich gemacht hat, ein kleiner Spalt des Erkennens, die Lust an der Betrachtung, die Freude am kritischen Hinterfragen.

 

Werklehrer, Maler, bildender Künstler war nicht immer klar. Als das Eisenwerk noch ein ungeheiztes Projekt war, spielte Fredi dort Theater - und wie. "Warten auf Godot" wurde dank seiner Intensität unerträglich. In Sartres "Schmutzigen Händen" spielte dieser Charakterkopf seine Mitspieler, Anwesende mögen mir das verzeihen, als Parteisekretär Höderer einfach an die Wand. Und in einemStück Milena Mosers spielte er den Sauhund so unglaublich glaubhaft, dass ihn einige Leute auf der Strasse nicht mehr grüssen. Er war masslos, er ist es noch immer. - Aber es gab ja schon einen Burgschauspieler in der Familie. Also doch die bildende Kunst.

 

Total unvergesslich die blaue Ausstellung 1989 im jungen shed im Eisenwerk. Eine ganze Ausstellung in einem Blau und so vielfältig, dass man mit Schauen nicht fertig wurde. Diese Ausstellung brachte mir selbst fast den finanziellen Ruin, dafür aber einige Werke von Fredi. Während der Ansprache von Lucy Grossmann war meine grosse Sorge, dass mir alle anderen genau die Bilder wegkaufen würden, die ich so unbedingt haben wollte. Also schlich ich mit roten Punkten während der Ansprache den Wänden entlang. Sie dürfen das hier und jetzt auch machen. 1991 die Übermalungen, die wir heute hier auch sehen können und eben bisch noi. Unglaubliche Schaffenskraft in der Murkart, bis es dort dann 1996 brannte. Das befreite Fredi von eingefrorener Farbe und fletschenden Hundegebissen. Das bescherte ihm auch die Begegnung mit Direktor Schiffele von der SIA, ganz sicher im Zweireiher, und völlig unerwartet in der Direktheit, im Interesse und in der Grosszügigkeit. Angebot des 440 m2 Ateliers, wo grosser Raum die Möglichkeit zu Vielfalt, zu Gleichzeitigkeit und zu grosser Dichte schuf.

 

Und nun eben der Auszug und das Zusammenstellen von 10 Werkgruppen. Wir sehen - viele bei Fredi vielleicht zum ersten Mal, Zeichnungen. Zeichnungen in Kohle, in Graphit, in Tusche, Zeichnungen von freier Hand und erstaunlich auch digital gefertigt. Extreme Dynamik in den einen, ruhige Gesichter in den anderen.

Die Aschenbilder sind dicht, samten, filigran, hochintensiv. Sie zeigen auch wieder Motive aus dem Theaterleben, zum Teil auf das absolut wesentliche Minimum reduziert.

FB ist ein Meister dieser Reduktion. Sehen Sie sich die freihändig gezeichneten Spire an. Fliegen Sie mit. Sie werden das auch beim grossen, radikal reduzierten Spir im untersten Raum tun können.

Tauchen Sie ein in die szenischen Tagebücher, in denen FB seinen Standpunkt und seine Befindlichkeit bzw. Befindlichkeiten auslotet. Das sind auch Filme, die da vor uns liegen.

 

Sie finden Übermalungen aus den 90erJahren. Verflechtungen nicht nur verschiedener Techniken und Materialien, sondern auch östlicher und westlicher Kulturen. Warhols Abendmahl, Buddha und Kali. Und immer wieder auch das Theater, bspw. mit Szenen aus Peter Brooks Inszenierung von Shakespeares "Sturm".

 

Die Farbflecke, die zu Farbfeldern wurden, sind in Raum 2 zu finden. Ganz, ganz grosse Formate, Entwürfe, Winzlinge, Studien. Wir erleben das Entstehen, nicht nur Resultate. Überhaupt scheint mir so deutlich erkennbar, dass FB kein Maler ist, der in seiner Entwicklung je starr geworden ist. Der Drang zur Entwicklung, zur Neuentdeckung, zum immer tieferen Eindringen in das Beobachtete, ist extrem deutlich.

Die Farbfelder beginnen mit Feldern in schlichtem Weiss. Wie könnte der Auftakt zu dieser Serie vollkommener sein, als in diesem Weiss als Summe aller Farben? Dann werden ganz schlicht farbige Felder kombiniert, aneinandergefügt zu einem Ganzen, das so klar und schlicht ist, als hätte es so immer existiert.

Total selbstsicher und unbescheiden die grossformatigen statements in Tusche. Seht her, so ist das! Und doch, FB wäre nicht der stetig reflektierende, immer in Frage stellende Fredi, der er nun mal ist: auch diese grossen Ausrufezeichen lassen Interpretation und Spiel zu. Das "so ist das" wird dergestalt zur Aufforderung zur Überprüfung.

 

Mit den grossen digitaldrucken tu ich mich schwer. Ich habe sie erst zu begreifen begonnen, als Fredi sie zu malen, statt zu drucken begann. Erst durch die erkennbare Handschrift wurde mir klar, in welche Dimensionen der Abstraktion Fredi da vordringt. Der Algorithmus der digitalen Farbdarstellung wird plötzlich zum Mittel der Abstraktion, der nachgegangen wird. Für mich braucht es aber Fredis künstlerischen Blick auf diese technische Betrachtung, um dem Bild Leben einzuhauchen.

Jetzt ist genug gesprochen. Ihr Blick ist viel wichtiger.

 

Drei Dinge aber noch zum Schluss:

am 13. Oktober um 11h entrollt Fredi eine grosse Rolle Zeichnungen. Es sind die Anfänge seiner konkreten Papierarbeiten. Überraschungen sind für alle Beteiligten fast sicher zu erwarten.

Zweitens gibt es heute um 19h das feine Risotto von AB.

Und drittens: FB hat die Preisgestaltung für diese Ausstellung ganz besonders attraktiv gemacht. Das ermöglicht Ihnen ein Erlebnis, wie mir vor bald 25 Jahren in der blauen Ausstellung. Diesen Sammlerrausch, das einmalige Gefühl einen echten Bissegger zu Hause zu haben, können Sie heute mit dem guten Gefühl ergänzen und steigern, diese absolut umwerfende Galerie, die AB hier aufgebaut hat, zu unterstützen.

Ich wünsche Ihnen in dieser Ausstellung ganz viel Freude und danke AB und FB, das Sie uns so reich beschenken.